Die Tragödie Swinemündes am 12.März 1945

Swinemünde hatte im Jahre 1945 22 .000 Einwohner. Die Stadt und alle Straßen waren zusätzlich voll mit Flüchtlingen. 14 Millionen flohen vor der Front mit Pferdewagen, Schiffen, Zügen oder zu Fuß in Richtung Westen. Zehntausende hatten Swinemünde erreicht. Es gab eine Pontonbrücke über die Swine. Auf der Eisenbahnfähre über die Swine befand sich ein vollbesetzter Zug, im Hafenbahnhof stand ein abfahrbereiter Zug. Schulen und andere öffentliche Gebäude waren überfüllt mit Alten, Kranken und Verwundeten. In der Plantage biwakierten Nachschubverbände der Wehrmacht. Sowjetische Verbände standen bereits vor der Dievenow bei Wollin und hatten die Alliierten um Unterstützung gebeten.
Am 12.März 1945 mittags gegen 12.05 Uhr heulten in Swinemünde die Sirenen. Etwa eine Stunde lang griffen 671 schwere viermotorige Bomber der 8.US Luftflotte (B 17 - fliegende Festungen und R 24) sowie 412 Jagdflugzeuge die Stadt an. Aus 6000 m Höhe wurden 1609 t Bomben abgeworfen. Das Hafengebiet, die Altstadt und die Strandsiedlung versanken in Schutt und Asche. 12 voll beladene Flüchtlingstransporter hatten kurz zuvor Swinemünde angelaufen. Sechs sanken, darunter die Cordillera und die „Andros“. Beim Untergang der Andros fanden 570 Menschen, meist Frauen und Kinder, den Tod. Schätzungen sprechen von bis zu 23000 Toten. Das ist wahrscheinlich etwas zu hoch angesetzt. Man kann jedoch von einer fünfstelligen Opferzahl ausgehen.
Damit steht Swinemünde in einer Reihe mit solchen deutschen Städten wie Hamburg, Kassel, Darmstadt, Pforzheim und Dresden. Betrachtet man die Größe der Stadt Swinemünde, dürfte es der verheerendste Angriff auf eine deutsche Stadt gewesen sein. „Das Massaker von Swinemünde“ (J. Friedrich: „Der Brand“) steht in den Annalen der 8.US – Flotte als Angriff auf Rangierbahnhöfe.
Der englische Philosoph A. C. Grayling („Die toten Städte“) hatte angesichts solcher Angriffe auf deutsche Städte geschrieben: "Es war ein gerechter Krieg gegen verbrecherische Feinde, in dem die späteren Sieger in einigen wichtigen Aspekten moralisch genau so tief sanken wie ihre Gegner, eine Tatsache, die inständig und offen bereut werden sollte."
Nunmehr, fast 60 Jahre später, erstellt Herr Dr. H. Schnatz aus Koblenz (der die Annalen der genannten Flotte als Prämisse seiner Thesen verwendet) den folgenden zynischen Dreisatz: Eine Tonne Bomben der Alliierten hat im Durchschnitt 3,1 Menschen getötet. Wie viele Menschen starben dann durch die 3218 Bomben auf Swinemünde? Und es gelingt ihm auf diese Weise, die Zahl der Opfer (wenigstens auf dem Papier) erheblich zu minimieren
Die meisten Opfer wurden auf dem Golm beigesetzt, wo sich seit Jahrzehnten eine Gedenkstätte befindet.
Der Webmaster hat den Bombenangriff auf Swinemünde erlebt und so die Schrecken des Krieges kennen gelernt.
 Der Stern hatte im März 2005 anlässlich des 60.Jahrestages des Angriffs auf die Stadt Swinemünde auf seiner Website   - ebenso wie der Nachrichtensender ntv und andere Medien auch - das folgende, von der dpa mit Carola Stern und dem Webmaster dieser Seite, Erwin Rosenthal, geführte Interview übernommen und zudem einen Link zu unserer Site gesetzt
Hier die dpa - Meldung, Dienstag, 8.März 2005, Inferno an der Ostsee, Bombardierung von Swinemünde  
Zehntausende Flüchtlinge in der Hafenstadt Swinemünde auf Usedom wähnten sich Anfang März 1945 schon in Sicherheit. Sie waren der Roten Armee über die Ostsee oder über Land entkommen und rechneten nun mit dem baldigen Kriegsende.
 Die Straßen der 20.000-Einwohnerstadt waren verstopft mit Planwagen, auf denen die Menschen das transportierten, was sie in aller Eile hatten retten können. Am 12. März warfen 671 Bomber der 8. US-Luftflotte insgesamt 1.600 Tonnen Bomben über Swinemünde (heute Swinoujscie) ab. Sie verwandelten das Chaos in ein Inferno. Die genaue Zahl der Opfer konnte nie ermittelt werden, Schätzungen gehen von 23.000 Toten aus.
 "Als um 11.00 Uhr die Sirenen heulten, machten wir uns zunächst keine großen Sorgen, weil es zuvor schon so oft Fehlalarm gegeben hatte", erinnert sich die Publizistin Carola Stern, die den Angriff als 19-Jährige miterlebt hat. "Als dann eine halbe Stunde später die ersten Bomben fielen, zog mich ein Soldat zu Boden und wir robbten in eine Waschküche. Ich dachte, meine letzte Stunde hätte geschlagen." In ihrem Versteck fand die junge Frau Trost bei einer Berlinerin, die schon zahlreiche Angriffe auf die Hauptstadt mitgemacht hatte. "Sie erklärte, dass Bomben, die man pfeifen hört, woanders einschlagen."
 Rund eine Stunde dauerte der Angriff. "Die Stadt war danach eine einzige Schutthalde. Auf den Straßen lagen überall tote Menschen und Pferde sowie Hausrat aus den Wagen der Flüchtlinge." Viele von ihnen starben, weil sie ihre Habseligkeiten während es Angriffs nicht alleine lassen wollten. Die grauenhaften Szenen raubten Stern fast den Verstand: "Ich lief mit einem irren Lachen durch die Stadt. Im Stadtpark lagen überall abgerissene Köpfe und Gliedmaßen, weil die Bomben mitten unter die Menschen gefallen waren, die dort Schutz gesucht hatten."
 Erwin Rosenthal, damals fünf Jahre alt, befasste sich später ausgiebig mit dem Angriff. Rosenthals Familie verlor bei dem Bombardement ihren gesamten Besitz. "Als der Alarm losging, liefen wir von unserer Wohnung zwei Häuser weiter zu meiner Großmutter. Kurz darauf zerstörte eine Bombe unser Haus und das Haus meiner Großmutter wurde schwer beschädigt." Er selbst stürzte in den Keller, wie durch ein Wunder überlebten er und die ganze Familie. "Ich konnte sehen, wie um uns herum alles in Trümmer fiel oder Feuer fing. Wir sahen Schwerverletzte, die durch die Straßen humpelten und vor Schmerz schrien." Heute versuchen er und sein polnischer Co-Autor Józef Plucinski, das Trauma des Angriffes und des Verlustes der Heimat auf einer Internetseite über Swinemünde zu verarbeiten.
 Die Bombenopfer fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Golm, einem Hügel außerhalb der Stadt, der vor dem Krieg ein beliebtes Ausflugsziel der Swinemünder war. Viele tausend Tote wurden dort bestattet, die meisten anonym in Massengräbern. "Die Kinderleichen wurden zuvor im Hafen der Größe nach sortiert und gestapelt", erinnert sich Stern. Auch sie verurteilt den Angriff: "Dafür habe ich lange gebraucht. Schließlich hat Deutschland den Krieg angefangen. Als ich als junges Mädchen in der Wochenschau die deutschen Piloten bei ihren Angriffen gesehen habe, habe ich auch kein Grauen empfunden, sondern eher Stolz. Ich dachte daher, ich hätte kein Recht, andere zu verurteilen. Aber eine Stadt voller Flüchtlingen so kurz vor Kriegsende zu zerstören, war ein schweres Unrecht."
 (Axel Büssem, dpa)
Epilog
Der Verfasser des folgenden Berichtes, Herbert Weber aus Iserlohn, (Jahrgang 1931) wurde Ende Juli 1943 als Mittelschüler in Hagen/Westf. zusammen mit Mitschülern und dem gesamten Lehrerkollegium zum Schutze vor Bombenangriffen im Rahmen der Kinderlandverschickung (KLV) nach Rügenwalde in Ost-Pommern evakuiert. Dort teilte man sich im Schicht-Unterricht das Schulgebäude mit den einheimischen Mittelschülern. Bei Herannahen der sowjetischen Front verließen viele Schüler vorzeitig ihre Kriegsheimat. Die bis zuletzt Ausharrenden, unter ihnen auch Herbert Weber, erreichten glücklicherweise am 6. März 1945, einen Tag vor dem Einmarsch der Sowjets in die Ostseestadt Rügenwalde (heute polnisch Darłowo), das letzte Schiff, das sie zusammen mit ein paar Hundert anderen Flüchtlingen über die Ostsee nach Swinemünde bringen sollte. Erst am 4. Tag nach Ankern auf der Reede wurden die Schiffsflüchtlinge an Land gesetzt. Die Hagener Gruppe fand ihr Schlafquartier in der mit Stroh ausgelegten Aula des Fontane-Lyzeums in der Roonstraße. Am 12. März 1945 erlebten die Hagener, die einst aus Schutz vor Bombenangriffen ihre Heimat verlassen mussten, doch noch einen Angriff, der tausendfachen Tod über die Stadt an der Swine bringen sollte. Glücklicherweise überlebten die Hagener unbeschadet im Keller des Lyzeums und wurden am Tage danach mit Bussen nach Neubrandenburg gefahren, wo sie ihre Heimreise mit der Eisenbahn – wenn auch nur etappenweise und stets in der Nacht – fortsetzten. Am 16. März 1945 erreichten die Hagener ihre westfälische Heimat.
 H. Weber hat sich als Mitglied der Interessengemeinschaft Gedenkstätte Golm über 10 Jahre lang mit der Geschichte und den Dokumentationen um den Bombenangriff auf Swinemünde beschäftigt, mitgeholfen, das Andenken an die Todesopfer, die das Inferno gekostet hat, hochzuhalten und die Erinnerung von Augenzeugen dokumentarisch erfasst. Es ist daraus die Broschüre „Das Inferno von Swinemünde“ (Hrsg. Interessengemeinschaft) entstanden, in der 39 Überlebende über einen grauenvollen und militärisch vollkommen nutzlosen Angriff berichten, der überwiegend nur Zivilisten tötete, die – zum größten Teil namenlos – in den Massengräbern auf dem Golm bei Kamminke/Usedom ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

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